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Kosmos und Comic
Der universelle Mythologe Jens Harder 3. bis 6. Juni 2010 Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19 Uhr, So 10–18 Uhr Salon-Galerie
Man schlage die ersten Seiten von Jens Harders Debüt-Album „Leviathan“ auf und man wird viel über seine Kunst erfahren (auch wenn er selbst den Begriff Kunst für „verschwurbelt“ hält). Den Anfang machen Zitate aus gewichtigen Werken der Weltliteratur: aus dem biblischen Buch Hiob, aus Miltons Epos „Das verlorene Paradies“, aus der philosophischen Schrift „Leviathan“ von Thomas Hobbes. Die Grafik dazu, fast skizzenhaft: ein fliegender Fisch wie ein Zwischenglied der Evolution, das die Elemente Wasser und Luft verbindet. Es folgen Bildzitate aus mittelalterlichen Schriften, von Harder gezeichnet. Genau da zeigt sich die Wurzel seines Stils, der zurückverweist auf alte Holzschnitte, das Rohe und Grobe dieser Technik, den deutlichen Strich, den handwerklichen Duktus bewahrt. Die Grafik des Jens Harder geriert sich nie als ästhetische Illusion, sie zeigt immer: Da hat einer Striche gezogen, da hat einer gearbeitet mit Stift und Papier.
Dennoch ist Jens Harders zentrales Thema, die Natur, gefiltert durch die Kultur. Denn Kultur ist stets ein Eingriff in die Natur, aber auch ein Medium, um die Natur zu begreifen und womöglich zu erklären. Daher die frühen Anspielungen auf Literatur, auf tradierte Abbildungen. Oft wird die Frage gestellt, ob Harder denn überhaupt unter die Comic-Künstler einzureihen, ob er nicht vielmehr ein Illustrator sei, ein Enzyklopädist, einer, dessen Zeichnungen für sich stünden und sich nicht narrativ aufeinander bezögen. Das Gegenteil ist der Fall. Harder erzählt von den großen und größten Zusammenhängen. Vom Kosmos, vom Ozean, vom Phänomen des Lebens (und damit des Sterbens) und vom Phänomen der menschlichen Weltaneignung durch Mythen und Urbilder. Er ist selbst ein Mythologe des Comics geworden. Seine Bücher sind Epen und beziehen sich auf Epen. Es soll nicht zu hoch gegriffen werden, aber Jens Harder macht tatsächlich ähnliche Versuche wie die Verfasser heiliger Schriften: Er möchte die Komplexität der universellen Existenz in all ihren Facetten vor Auge und Hirn seines Rezipienten zum Schillern bringen.
Mag sein, dass dieser Hang zum Universalismus dazu geführt hat, dass sein erstes Buch gleich in vier Sprachen erschienen ist. Mag sein, dass das Opus Magnum „Alpha. Directions“ – zuerst auf Französisch herausgekommen – keine Übersetzung benötigen würde, sondern mit einer Texteinlage auskommen könnte. Harders Bildsprache ist polyglott und universell. 1970 in Weißwasser geboren, 1996–2003 Grafik-Studium, 1999 Mitbegründer der Zeichnergruppe Monogatari. Brotarbeiten, Ausstellungen, Recherchen für das Werk. Ein Werk, das Mikrokosmos und Makrokosmos in Beziehung setzt zu den Ausdrucksformen des Menschen und das selbst eine ganz eigene Ausdrucksform zu Physik, Metaphysik und Fantasie entwickelt hat.
Herbert Heinzelmann
Empfang in der Ausstellung: Samstag, 5. Juni, 17 Uhr
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