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Reise ins Abenteuer
Neue Seiten von Milo Manara 3. bis 6. Juni 2010 Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle, Empore (1. Stock)
Mit amerikanischer Comic-Kultur ist Milo Manara in Berührung gekommen, als er ein Szenario von Neil Gaiman in Bilder setzte. Es war eine Geschichte aus der Serie „Sandman“, eine Geschichte über die Figur des Begehrens. Gaiman hatte sie Manara zugedacht, weil das Begehren in dessen Werk eine zentrale Position einnimmt, sei es als Verlangen nach dem Abenteuer, von dem seine Hauptfigur Giuseppe Bergmann getrieben wird, sei es als sexuelle Gier, von der seine erotischen und pornografischen Arbeiten handeln. Manara ist ein Comic-Künstler mit vielen Facetten, ein Träumer, ein Intellektueller, ein Surrealist, ein Kino-Fan, ein Erotomane, auch einer, der die Götter sucht. All diese Facetten finden sich in seinem Werk. Es wäre falsch, ihn auf die ein wenig stereotypen, allzeit willigen Nymphen seiner lustvollen Seite zu reduzieren. Er hat Tiefe, auch wenn er sie manchmal unter einer grafisch sehr geglätteten Oberfläche verbirgt.
Milo Manara hat eine typisch italienische Comic-Karriere absolviert. Er wurde 1946 in Südtirol geboren und zeichnete „fumetti neri“, um sich ein Architekturstudium zu finanzieren. Diese Gattung schneller, greller, in ihrem Gewaltpotential heftiger Populär-Geschichten mit oft pornografischem Touch hat den Grund seiner Grafik gelegt. Manara hat sie bedient. Er hat Werbung gemacht, die ihre Produkte mit Appellen an die Regionen unter der Gürtellinie verkaufte. Zugleich hat er mit maoistischem Gedankengut gespielt. Aus diesem Humus schuf er 1978 für das französische Magazin „Pilote“ die schillernde Geschichte „Affenkönig“ nach einer bekannten chinesischen Legende. Das war der erste Auftritt des Comic-Künstlers Manara auf der internationalen Bühne.
Kurz danach hat er sein bedeutendstes Werk in Angriff genommen: den Zyklus um den Abenteurer Giuseppe Bergmann, ein pirandelleskes Spiel („Ein Autor sucht sechs Personen“ ist der zweite Titel anspielungsreich betitelt) mit den Möglichkeiten des Mediums, zugleich eine Hommage an den Freund und Kollegen Hugo Pratt, mit dem er später die Epen „Ein indianisches Sommer“ und „El Gaucho“ schuf. Im Bergmann-Zyklus entfaltet Manara das ganze Spektrum seiner Strichtechnik. Später hat er es zurückgenommen in einfache figurale Formen und monumentale Bühnenprospekte für die Handlungsorte. Wenn er koloriert, verteilt er mit Aquarell und Kreide sanftes Licht und durchsichtige Schatten.
Der Reiz der Frauen knistert auch in Manaras literarischen Arbeiten. In vielen Alben („Außer Kontrolle“, „Candid Camera“, „Der Duft des Unsichtbaren“) hat er die Literatur zugunsten dieses Reizes eingeschränkt. Doch immer wieder ist er eingestiegen in mediale Parallelwelten, hat ungefilmte Drehbücher von Federico Fellini („Die Reise nach Tulum“, „Die Reise von G. Mastorna“) als Comics inszeniert, hat in seiner eigenen Adaption des antiken Romans „Der goldene Esel“ dem Personal aus Fellinis Film „Satyricon“ eine neue Bühne gegeben. Mit „Pandora“, der Geschichte einer schizophrenen Studentin, und dem fiebrigen Epochen-Panorama „Borgia“ (mit Alexandro Jodorowsky als Szenarist) führt Manara sein Werk mit allen Schattierungen in die Gegenwart. Zuletzt hat er nochmals amerikanische Comic-Kultur bedient und für Marvel das Album „X-Women“ gezeichnet. Damit endlich mal Lolita-Formen verführerisch auf das Mutanten-Universum wirken.
Nachdem bereits 1986 im Rahmen des 2. Internationalen Comic-Salons schon eine umfassende Milo Manara-Schau zu sehen war, ist die von Comicon Napoli-Direktor Claudio Curzio für den 14. Internationalen Comic-Salon 2010 zusammengestellte Ausstellung auf aktuelle und teilweise in Deutschland noch unveröffentlichte Arbeiten der Comic-Legende fokussiert.
Herbert Heinzelmann
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