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Den Krieg im Blick – Künstler an der Front
Zeitgenössische Perspektiven von Gus Bofa, Jean-Émile Laboureur, Charles Martin, Chas Laborde, Pierre Falké, Otto Dix, Erich Drechsler, Thomas Theodor Heine, Olaf Gulbransson, Erich Schilling und anderen 19. bis 22. Juni
Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr Kongresszentrum Heinrich-Lades-Halle, Großer Saal
Als Otto Dix 1924 seine Mappe „Der Krieg“ mit 50 Radierungen herausbrachte, teilte er die Blätter in fünf Kapitel ein, sortierte sie aber so, dass sie keinem erkennbaren Zusammenhang folgten. Offenbar wollte er die Impressionen aus dem Schützengraben, in dem er mehr als vier Jahre verbracht hatte, willkürlich wirken lassen, wie die Einschläge von Granaten.
Der 23-jährige Otto Dix war freiwillig und mit gewisser Begeisterung in den Krieg gegangen und das nicht als einziger der jungen Generation deutscher Künstler und Schriftsteller. Viele von ihnen sahen in diesem Krieg die Chance zu einer Revolution, die die erstarrte wilhelminische Epoche durch eine neue, revolutionäre Ära ersetzen würde. Hier mischten sich beim jungen Dix Patriotismus – das Gefühl, einer Nation anzugehören, war in Deutschland, im Gegensatz zu Frankreich, noch sehr neu – und Ästhetik: „Voll elementarer Wucht sind Granattrichter innerhalb Dörfern. Alles in der Umgebung scheint der Dynamik dieser gewaltigen symmetrischen Trichter zu unterliegen. Es sind die Augenhöhlen der Erde (…)“. Annähernd 600 Zeichnungen von Otto Dix entstanden in den unmittelbaren Kriegsjahren. Mit seiner berühmten Mappe „Der Krieg“, die er für Karl Nierendorf im Zuge des Antikriegsjahres 1924 erstellte, transportiert er schließlich die Reflektion eines Zurückgekehrten. Auch der junge Erich Drechsler – selbst nie an der Front gewesen – brachte die Erzählungen der Heimgekehrten zu Papier und schließt sich mit seinen Totentanzzyklen diesen Reflexionen an.
Während die Vertreter einer jungen Avantgarde die grauenvolle Ästhetik des Krieges in Zeichnungen zum Ausdruck brachten, agierten die deutschen Satire-Magazine wie der „Simplicissimus“ in den unmittelbaren Kriegsjahren auf propagandistisch karikaturistischer Ebene. Zeichner wie Thomas Theodor Heine, Erich Schilling oder Olaf Gulbransson zeichneten für eine Nation, die den Krieg noch immer als Hoffnungsträger wahrnahm. Während die deutschen Satire-Organe und Kriegsflugblätter sich den „Brüdern“ an der Front verpflichtet fühlten und ihren Spott über den Feind zum Ausdruck brachten, konnte man diese Tendenz in Frankreich nur vereinzelt feststellen.
Gustave Blanchot alias Gus Bofa, der in Paris bereits ein etablierter Illustrator und Plakatmaler war, verlor schnell seine distanzierte Neugier der ersten Kriegstage. Bald schwer verletzt, musste er im Lazarett gegen Ärzte kämpfen, die ihm das Bein amputieren wollten – ein Anlass zu sarkastischen und ernüchterten Zeichnungen über die „Grande Farce“, die er aus seinem Bett der satirischen Zeitschrift „La Baïonnette“ schickte. Er sah keine „schönen“ zertrümmerten Landschaften und Kriegshelden, sondern nur Destruktion und Kriegsopfer. Er suchte weder die Schönheit noch die Lyrik, rechnete viel mehr mit der menschlichen Dummheit und deren Institutionen in Form des Militärs und der Politik ab – eine Abrechnung die auch in seinen späteren Werken wiederholt zu spüren ist.
Die Ästhetik der Bilder war präsenter bei seinen Freunden Martin oder Laborde, sie diente auch dazu – in Verbindung mit versteckter Ironie –, die Zensur zu umgehen. Charles Martin, ein Modezeichner mit japanischen Einflüssen, zeigte mit wenigen, sehr eleganten poetischen Strichen, die er von der Front seiner Schwester schickte, die Verlorenheit und die Depression der Frontsoldaten. Jean-Émile Laboureur, Dolmetscher der britischen Offiziere am Flandern-Schlachtfeld, illustrierte mit kubistisch geprägtem Stil den Alltag der dortigen Truppen. Während Pierre Falké mit düsteren Kohlezeichnungen den erlebten Albtraum malte, beschäftigte sich Chas Laborde mit Skizzen, die an den Stil mancher heutiger Graphic Novels erinnern, und lieferte jugendstilartige, sehr elegante Satiren über die Profiteure jener Zeit an die Satire-Zeitschrift „Le Rire“. All jene jungen Künstler verband die Erfahrung des Krieges, die Abscheu vor dem Erlebten. Das mag auch der Grund sein, warum sie sich 1920 allesamt zu der von Gus Bofa gegründeten Künstlervereinigung „Le Salon de l’Araignée“ zusammenschlossen.
Otto Dix war also keineswegs der einzige Künstler seiner Zeit, der ästhetisch auf die Kriegserfahrung reagierte. Es war vielmehr eine Grunderkenntnis seiner Generation, dass dieses Ereignis etwas sowohl Furchtbares wie Gewaltiges war.
Gespräch zur Ausstellung mit Marie-Hélène Grosos, Veronika Mertens und Emmanuel Pollaud-Dulian, Moderation: Paul Derouet
Donnerstag, 19. Juni, 17:30 Uhr – Rathaus, Raum Nr. 117, 1. Stock
Führung durch die Ausstellung (gemeinsam mit der Ausstellung „Landschaft des Todes – Jacques Tardi und der Erste Weltkrieg“) mit Hans-Diether Dörfler:
Donnerstag, 19. Juni, 15 Uhr und Samstag, 21. Juni, 12:30 Uhr
Die Ausstellung „Den Krieg im Blick – Künstler an der Front" entstand in Zusammenarbeit mit Emmanuel Pollaud-Dulian, Marie-Hélène Grosos, der Galerie Albstadt – Städtische Kunstsammlungen, der Staatlichen Bücher- und Kupferstichsammlung Greiz – Sommerpalais und der Birke und Partner Kommunikationsagentur Erlangen. Die Ausstellung wird gefördert durch den Kulturfonds Bayern und die Deutsch-Französische Kulturstiftung.
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